Gestern

Anruf meiner 85-jährigen Mutter. 300 km Distanz zwischen uns. Ich sage mal: Gott sei Dank. „Claudiii …“

„Jaha …“

„Claudi … hast du gewusst, dass man für einen elektrischen Fernsehsessel STROM braucht?!“

Ich halte den Hörer fester ans Ohr. Leere zwischen dem rechten und dem linken Hörorgan. Strom. Elektrischer Stuhl, äh, Fernsehsessel. Leere, nichts als absolute Leere im Hirn.

Daran arbeite ich schweißtreibend und erfolglos während jeder Yogastunde: Leere, das absolute Nichts. Funktioniert nie. Ich denke an die Erderwärmung. Das komische Geräusch des Scheibenwischers bei niedrigster Intervalleinstellung. Warum man sich Implantate in Pobacken packt. Aber da stellt mir meine Mutter eine Frage und schwups schwebe ich im Nirwana.

„Ich höre mich fragen: „Geht das nicht über Funk?“

Himmel! Hab ich das eben tatsächlich von mir gegeben? Geht das nicht über Funk! Was meine ich eigentlich damit?

Ich versuche die Sache irgendwie zu retten und sage: „Ja, Mama, was hat der Mann im Möbelgeschäft denn zu euch gesagt?“

Kleine Randnotiz: Euch deshalb, da meine mittlere Schwester mit von der Partie war. Sie hat die letzten zehn Monate in Neuseeland zugebracht und sich unglaublich viel auf Alpaka-Farmen rumgetrieben. Nach ihrer Rückkehr war sie Zen buddhistisch gewappnet und hat sich fünf Tage mit meiner Mutter bei Ärzten, in Möbelgeschäften, auf Friedhöfen und bei Mittagstischen verlustiert.

Hier merkte meine Mutter an: „Du Claudiii, das war toll, in dem einen Restaurant … also, du wärst da nicht mit rein gegangen, aber deine Schwester schon … also, die wiegen da zum bezahlen die Teller ab.“ Aha, die Teller wiegen die da ab, nicht das Obendrauf. Auch mal ne Alternative. Dem Essen wird ohnehin zu viel Beachtung beigemessen. Aber jetzt verzettle ich mich … also zurück zum Strom fressenden Furzsessel.

Ich bleibe hartnäckig bei meiner Fachthese: „Also, Mama, zwischen der Fernbedienung und dem Sessel besteht Funkkontakt.“

„Claudii … aber der Stuhl braucht doch ein Stromkabel oder einen Akku.“

Endlich. Etwas klickt in meinem Kopf. Akku. Da bin ich ganz nah an meiner Kernkompetenz.

Ich leichthin: „Ja, hast du denn keinen Fernsehsessel mit Akku gekauft?“ Geschmeidig die ahnungslose Kurve gekriegt.

„Nein, aber wenn ich das jetzt mache, kostet der Sessel 200 Euro mehr. Aber der Mann, der hätte mich doch fragen müssen, wo meine Steckdose ist – oder?“

Ja, sage ich, finde ich auch. Das hätte er mal machen sollen.

Ich wundere mich, dass sie die Schuld an der ganzen Misere nicht meiner Schwester in die Schuhe schiebt. Aber die hat wohl noch Neuseeland-Schonfrist.

Lange Rede, kurzer Sinn. Heute fährt sie mit Freundin Waltraud wieder in das Möbelgeschäft. Sie klären das jetzt mit dem Strom, dem Stecker, dem Akku, der Steckdose, dem Kabel und der Erderwärmung.

„Und Claudii … ich geh dann mit Waltraud in den Laden, wo sie die Teller abwiegen.“

Genau, Mutter, mach das mal. Mahlzeit.